Erinnerung zweiter Klasse
Die Japaner sind diejenigen, die das Konzept ganz roh und ohne lästige Schnörkel angehen: Man stellt sich vor die Sehenswürdigkeit, Hände an die Hosennnaht, lächeln, Fotoapparat macht Knipsgeräusch, das Ding ist im Kasten. Japaner kommen einem dabei immer sehr gehetzt vor. Sie haben nur eine Woche Zeit für möglichst viele Sehenswürdigkeiten, vor die sie sich alle Stellen müssen und dann geht's wieder zurück. Wie Urlaub hört sich das nicht gerade an. Aber eine Erinnerung scheint nichts Wert zu sein, wenn sie nicht mit Bildmaterial unterfüttert werden kann.
Hier bei uns lernt man das Konzept langsam auch. Früher war Film und Entwicklung noch teuer und man mußte zwangsläufig wählen, welche Erinnerungen man für später konservieren wollte. Heute wird alles konserviert. Frei nach dem Motto: Eine nur im Gehirn konservierte Erinnerung ist eine Erinnerung zweiter Klasse.
Bei einem Konzert kann man es sehen. All die Leute die von jedem Musiker auf der Bühne, jedem Instrument, zu jedem gespielten Song mindestens ein Foto anfertigen müssen. Und einen Mini-Film. Könnte man die eigenen Gefühle fotografieren, so würde man dies noch zusätzlich tun, um felsenfest und geschichtlich das ganze Event lückenlos und unbestreitbar dokumentieren zu können.
Ein weiterer Hit der heutigen Erinnerungsfotografie ist das Gruppenbild "Zwei oder drei Freunde mit Bierflaschen". Gerne in gehäufter, collagierter Fassung im Wohnungsflur zu finden, an einer Pinnwand, als echte Collage - ein Geburtstagsgeschenk, überschrieben mit "BFF - Best Friends Forever", von der Clique. Die Fotos umfassen immer die gleiche Gruppe von Menschen, in allen möglichen Zweierkombinationen gepaart, wobei mindestens einer von beiden eine Bierflasche in der Hand hält. Beide grinsen überdreht, der Blitz macht die Haut speckig, im Hintergrund Diskodunkelheit mit Farbspritzern der Scheinwerfer oder Draußendunkelheit mit verwaschenen Kneipenleuchtreklamen.
Dieser neue Typus Bild ist mir ein Phänomen. Er soll häufig die eigene Erinnerung ersetzen, verstärken, als Beweis gelten, wo eigentlich nichts bewiesen zu werden bräuchte. Er soll Gruppenzusammengehörigkeit demonstrieren und, indem sowas im Flur aufgehängt wird, zeigen, daß man in der heutigen schnellebigen Zeit ein wertvolles Gut besitzt: Freunde (Auch wenn die Bilder nur Beweisen, daß man Leute kennt, mit denen man offensichtlich regelmäßig saufen geht - aber das ist eine andere Geschichte).
Im Endeffekt sind riesige Fotosammlungen, je länger ich drüber nachdenke, also nur das eine: Ein Statussymbol. Denn in einer Welt, in der man seinen Status nicht nur aus Dinglichem, sondern vor allem auch aus schwer Greifbarem, wie Abenteuerurlauben, sonstigen Erlebnissen und der Anzahl von sozialen Kontakten, definiert, muß es die Möglichkeit geben, den Anspruch, den man auf einen Status erhebt, auch zu untermauern.
Hier bei uns lernt man das Konzept langsam auch. Früher war Film und Entwicklung noch teuer und man mußte zwangsläufig wählen, welche Erinnerungen man für später konservieren wollte. Heute wird alles konserviert. Frei nach dem Motto: Eine nur im Gehirn konservierte Erinnerung ist eine Erinnerung zweiter Klasse.
Bei einem Konzert kann man es sehen. All die Leute die von jedem Musiker auf der Bühne, jedem Instrument, zu jedem gespielten Song mindestens ein Foto anfertigen müssen. Und einen Mini-Film. Könnte man die eigenen Gefühle fotografieren, so würde man dies noch zusätzlich tun, um felsenfest und geschichtlich das ganze Event lückenlos und unbestreitbar dokumentieren zu können.
Ein weiterer Hit der heutigen Erinnerungsfotografie ist das Gruppenbild "Zwei oder drei Freunde mit Bierflaschen". Gerne in gehäufter, collagierter Fassung im Wohnungsflur zu finden, an einer Pinnwand, als echte Collage - ein Geburtstagsgeschenk, überschrieben mit "BFF - Best Friends Forever", von der Clique. Die Fotos umfassen immer die gleiche Gruppe von Menschen, in allen möglichen Zweierkombinationen gepaart, wobei mindestens einer von beiden eine Bierflasche in der Hand hält. Beide grinsen überdreht, der Blitz macht die Haut speckig, im Hintergrund Diskodunkelheit mit Farbspritzern der Scheinwerfer oder Draußendunkelheit mit verwaschenen Kneipenleuchtreklamen.
Dieser neue Typus Bild ist mir ein Phänomen. Er soll häufig die eigene Erinnerung ersetzen, verstärken, als Beweis gelten, wo eigentlich nichts bewiesen zu werden bräuchte. Er soll Gruppenzusammengehörigkeit demonstrieren und, indem sowas im Flur aufgehängt wird, zeigen, daß man in der heutigen schnellebigen Zeit ein wertvolles Gut besitzt: Freunde (Auch wenn die Bilder nur Beweisen, daß man Leute kennt, mit denen man offensichtlich regelmäßig saufen geht - aber das ist eine andere Geschichte).
Im Endeffekt sind riesige Fotosammlungen, je länger ich drüber nachdenke, also nur das eine: Ein Statussymbol. Denn in einer Welt, in der man seinen Status nicht nur aus Dinglichem, sondern vor allem auch aus schwer Greifbarem, wie Abenteuerurlauben, sonstigen Erlebnissen und der Anzahl von sozialen Kontakten, definiert, muß es die Möglichkeit geben, den Anspruch, den man auf einen Status erhebt, auch zu untermauern.
yeda - 23. Aug, 17:08