Jammern

14
Nov
2007

Nur zur Klarstellung: Das war ein gewaltiger Platzregen, kein Niesel.

Ich hab bei dem Regen meinen Regenschirm bei der Arbeit vergessen und hangle mich heute mittag von Dachvorsprung zu Dachvorsprung, immer ganz nah an der Häuserwand entlang. Mir entgegenkommend: Drei Damen um die fuffzig mit ihren bunten Schirmen aufgeklappt im Gänsemarsch hintereinander, sich schreiend untereinander verständigend, unterhaltend, ebenfalls, trotz verfügbaren Schirmschutzes, den schmalen, relativ trockenen Streifen vor den Häusern benutzend.
Wir bewegen uns aufeinander zu und ich denke, daß die Beschirmten sicherlich einen Bogen um mich schon leicht angenäßtes Etwas machen werden, bevor es zur Kollision kommt. Es kommt nicht. Aber nur weil ich und die "gegnerische" Partei kurz voreinander stoppen. Die Dame an der Spitze der Polonäse:

"Da müssen Sie schon um uns herum gehen, junger Mann."
Ich: "Ich will aber nicht nass werden."
Sie: "Wir doch auch nicht."
Ich: (mit verzweifelt hoher, quietschender Stimme) "Aber Sie haben doch Schirme."
Sie: "Na und?"
(Pause. Was soll man darauf auch noch antworten? Auf einer argumentativ logischen Ebene, meine ich...Ich blickte sie nur an, und mußte das erstmal verarbeiten, was hier gerade passierte.)
Sie: "Sie sind doch noch jung, der Regen bringt sie schon nicht um."

Sie schiebt sich mit leichtem Druck zwischen mich und die Häuserwand, Schirm immer noch geöffnet über ihrem Kopf, die Speichen bedrohlich nah an meinem Kopf ich muß ausweichen, wenn ich mein Augenlicht behalten will.
Nachdem alle drei vorbei sind, typisch dreckiges Armleuchtergelächter. Naja, Kavalier bin ich wahrscheinlich wirklich nicht.

5
Nov
2007

Fehler beim Seitenaufbau

Ich lese im Moment die Tagebücher von Max Frisch und bin begeistert, wie sehr die politische Haltung meines Lieblingsautors mit meiner korrelliert. Und dabei wußte ich das damals noch gar nicht, als ich Homo Faber und Stiller gelesen habe, Biedermann und die Brandstifter und Andorra im Theater gesehen habe.

Beim Lesen bin ich auch überrascht, daß sich Geschichte doch immer und immer zu wiederholen scheint. Im Jahr 1968 schreibt Frisch von friedlichen Demonstrationen in Zürich, die eskalierten, weil man einfach ein Polizeiaufgebot aufgefahren hatte, daß von vornhinein klar machte, wer hier notfalls mit Gewalt seinen Herrschaftsanspruch durchzusetzen gedenkt.

Frisch schreibt: Daß ein Unterschied zwischen Demokratie und Totalitarismus oft nur sei, daß die herrschende Klasse (welcher Art und Legitimation auch immer) in der einen im Gegensatz zur anderen Form Protest zwar zulasse, diesen aber trotzdem immer ignoriere, notfalls mit Staatsgewalt eindämme. Jeder herrschende Klasse sei nämlich immer nur an der Festzementierung des momentanen Status Quo gelegen. Und deswegen gehe Veränderung zum Positiven aus seiner eigenen geschichtlichen Erfahrung niemals über friedlichen Protest und das anschließende Hoffen auf die Einsicht derjenigen, an die der Protest sich gerichtet hat. Frisch hatte zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht den Fall der Mauer erlebt.

Mitten im Tagebuch dann Ernüchterung: Der Verlag hat mir die Seiten 210 bis 230 freundlicherweise durch eine Sicherheitskopie der Seiten 190 bis 209 ersetzt, die ich gerade schon gelesen hatte. Doppelt gemoppelt hält besser? Hmmm. Das Ersatzexemplar meiner Buchhändlerin hatte dann das gleiche Problem. Ich will weiterlesen, will aber auch nicht die fehlenden zwanzig Seiten erstmal überspringen und dann zurückkehren. Ich bin eher der sequentielle als der Random Access-Leser.
Jetzt sitze ich hier und harre einer korrekt beseiteten Ersatzausgabe, damit ich endlich erfahre, wie es Frisch 1969 ergangen ist....
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